Evergrande ist ein Name, der für Größe steht – oder besser gesagt stand. Denn die Abwicklung des Immobilienriesen ist beschlossene Sache. Der Grund dafür ist, dass der Konzern mit 300 Milliarden Dollar in der Kreide steht und damit der am höchsten verschuldete Bauträger weltweit ist. Außerdem konnte der Konzern bis heute kein Konzept für seine Sanierung vorlegen. Allerdings ist Evergrande nur die Spitze des Eisberges. Die gesamte Immobilienbranche kriselt, sodass China als großer Motor der Weltwirtschaft auszufallen droht.
Evergrande ist nur die Spitze des Eisbergs
Jeder fünfte Chinese unter 25 Jahren arbeitslos
Die Zeiten, in denen die Immobilienbranche bis zu einem Drittel der Wirtschaftskraft ausgemacht hat, sind vorbei. Mehr und mehr Lokalregierungen verschulden sich, weil sie kein Geld mehr durch den Verkauf von Bauland einnehmen. Im Juni war etwa jeder fünfte Chinese unter 25 Jahren arbeitslos. Erhebungen zu den Arbeitslosenzahlen der nachfolgenden Monate hat die chinesische Regierung nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Einige der betroffenen ziehen erstmal wieder bei ihren Eltern ein und helfen im Haushalt. Millionenfach wurden letztes Jahr daher auf den chinesischen Social-Media-Plattformen die Hashtags #Fulltimeson und #fulltimedaughter aufgerufen. Grund für diese Entwicklungen ist nicht nur der Immobilienmarkt, sondern auch die sich seit Corona langsamer als prognostiziert erholende Gesamtwirtschaft.
Kaum Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums
Mit Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums hat sich Peking allerdings zurückgehalten. „Nach vielen Jahren der Infrastrukturförderung hat es sich aus-stimuliert“, schreibt Jens Hildebrandt von der Pekinger Handelskammer. Um die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, forderte Xi Jinping, die jungen Menschen aus der Stadt zu holen und zum Arbeiten aufs Land zu schicken. Das erinnert an die 1960er- und 70er-Jahre, als Mao Zedong über 16 Millionen Menschen zum Arbeiten in die Dörfer abkommandierte.
Das wahre Problem wird die Überalterung sein
Langfristig gesehen könnte Chinas Problem aber genau das Gegenteil von Jugendarbeitslosigkeit sein, nämlich Überalterung. Laut Yi Fuxian, Senior Scientist in den Forschungsbereichen Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Wisconsin-Madison, könnte der Anteil der Chinesen, die 65 Jahre und älter sind, von 14 Prozent im Jahr 2020 auf 35 Prozent im Jahr 2050 steigen. Das würde bedeuten, dass statt wie im Jahr 2020, als auf einen Menschen im Alter von 65 Jahren fünf Arbeitnehmer im Alter von 20 bis 64 Jahren kamen, dieser Anteil bis 2035 auf 2,4 Arbeitnehmer sinken würde. Bis 2050 würden es nur noch 1,6 Arbeitnehmer sein, die sich um einen alten Menschen kümmern – eine humanitäre Katastrophe und ein riesiger Verlust an Wirtschaftsleistung.
Xi Jinping muss und wird handeln
Ein Infrastrukturprogramm mit Zinssenkungen kann gegen eine solche Entwicklung tatsächlich wenig ausrichten. Xi Jinping steht aber unter Zeitdruck. Ein Fenster schließt sich. China muss und wird sich eine Lösung zu diesen Problemen einfallen lassen – und zwar sehr bald.