NEWS | 2. Dezember 2025

Monatsrückblick November 2025: Europas späte Aufholjagd

Rohstoffexperte Andreas Kroll mit Gästen bei der Sendung von Markus Lanz am 19.11.2025

Der November 2025 fühlte sich an wie der Moment, in dem Europa endlich den Wecker hört. Während die USA und China längst auf Hochgeschwindigkeit laufen und ihre Rohstoffstrategien wie Schachmeister ausspielen, beginnt Europa sich aufzurichten — noch etwas verschlafen, aber mit wachsender Entschlossenheit.

Dieser Monat markiert den Übergang von naivem Vertrauen in globale Märkte zu einem nüchternen Bewusstsein: Versorgungssicherheit ist der neue Wohlstandsfaktor. Ob Europa mitspielt, hängt davon ab, wie schnell es seine eigene Strategie entwickelt und umsetzt.

Die trügerische Ruhe nach dem Sturm

Der Monat startete mit einer Nachricht, die viele kurz aufatmen ließ: China kündigte an, seine jüngsten Exportkontrollen bis November 2026 auszusetzen. Nach dem hochstilisierten „12-von-10-Deal“ zwischen Trump und Xi klang das nach Entspannung — doch es ist nur ein freundliches Lächeln in einem anhaltenden Machtspiel.

Immerhin werden wieder Gallium und Germanium in die USA geliefert. Trotzdem ist ein Großteil der Exportkontrollen vom April noch aktiv: Sie gelten immer noch für sieben schwere Seltene Erden, darunter Dysprosiumoxid und Terbiumoxid. Außerdem sind die Kontrollen nur für ein Jahr ausgesetzt, danach muss neu verhandelt werden.

Damit behält China weiterhin die Hand am globalen Thermostat der Verteidigungs- und Hightech-Industrie. Und während Trump den angeblichen Triumph feiert, ist Europa noch immer von denselben Lieferketten abhängig, die seit Jahren als verwundbar gelten.

Rohstoffpolitik = Machtpolitik

Chinas Exportkontrollen sind ein gezieltes strategisches Manöver – und die direkte Antwort auf Donald Trumps Zollpolitik und die Restriktionen bei den leistungsbesten Computerchips. Beim Schach ziehen beide Seiten immer abwechselnd – tit for tat.

Die kontrollierten Rohstoffe sind klassische Dual-Use-Güter — entscheidend für Panzer, Flugzeuge, Chips, Laser, Medizintechnik, Energiewende und Quantenforschung.
Die Preissteigerungs-Zahlen im November hatten jedoch eine Überraschung für uns parat: Tabellenführer war mit einem Preiszuwachs von 7,53 % das für MRT-Kontrastmittel benötigte Gadoliniumoxid. Das zeigt, wie sensibel der Markt auch im Gesundheitssektor auf die Knappheit Seltener Erden reagiert.

Parallel dazu sorgte ein wissenschaftlicher Durchbruch für Aufsehen: Gallium-dotiertes Germanium wird bei extrem niedrigen Temperaturen supraleitend. Ein Gamechanger für die Quantencomputer-Entwicklung — aber nur dann, wenn diese Materialien überhaupt zugänglich bleiben.

Die „Heute-Show“ machte das Thema satirisch sichtbar: Erst als klar wurde, dass ohne Seltene Erden das Smartphone wegfallen würde, wurde die Krise in den Wohnzimmern real. Andreas Kroll brachte es bei Markus Lanz präzise auf den Punkt: „Wenn man das Rennen um Rohstoffe mit einem 100-Meter-Lauf vergleicht, ist China längst im Ziel ist, die USA bei 20 Metern und Europa noch in den Umkleidekanine.“

Europa erwacht: Neue Partnerschaften, neue Prioritäten

Im November zeigte sich zum ersten Mal ein koordinierter europäischer Ansatz. Die strategische Erkenntnis: Versorgungssicherheit entsteht nicht durch Wunschdenken, sondern durch Partnerschaften.

Afrika rückt ins Zentrum

Ein neues Abkommen mit Südafrika setzt auf Kooperation statt Ausbeutung.

Ziele:

  • Wertschöpfung vor Ort erhöhen
  • Zugang zu Platinmetallen, Mangan und Seltenerd-Vorkommen sichern
  • Gemeinsame Projekte im Midstream (Trennung, Raffination) fördern

Australien: Europas möglicher Rettungsanker

Die EU orientiert sich an der US-Strategie:

  • Langfristige Offtake-Agreements für Seltene Erden und Lithium
  • Beteiligungen an Verarbeitungsanlagen
  • Ausbau der eigenen Separationstechnologien

Damit beginnt Europa endlich, die Abhängigkeit von chinesischen Raffinerien anzugehen — dem neuralgischen Punkt im globalen Metallkreislauf.

Deutschland bewegt sich ebenfalls

Der Rohstofffonds hat seine Bargeldmittel aufgestockt, was es erleichtert, konkrete Projekte zu finanzieren. Drei davon stehen vor vertiefter Prüfung — darunter das Lithiumvorhaben im Oberrheingraben, das als potenzielles europäisches „Tesla-Moment“ für die Rohstoffautonomie gilt.

Fazit: Eine seltene Chance — und wenig Zeit

Der November 2025 zeigt klar: Die Zeit der Just-in-Time-Mentalität in der Rohstoffversorgung ist vorbei. Unternehmen planen um, Staaten richten sich neu aus, und Europa erkennt langsam die Realität eines multipolaren Weltmarkts.

Aktuelle Zahlen der GTAI machen das deutlich:

  • 75 % der Industrie suchen aktiv neue Lieferanten außerhalb Asiens
  • 70 % setzen auf direkte Partnerschaften statt auf den anonymen Rohstoffhandel

Die Nachfrage nach sicheren, nachvollziehbaren Lieferketten steigt exponentiell. Europa hat jetzt eine kleine Atempause — mehr nicht. Doch sie reicht aus, um strategische Allianzen zu knüpfen, den Rohstofffonds aktiv einzusetzen und die industriepolitische Zeitenwende einzuleiten.

Denn eines ist klar: Wer bei kritischen Rohstoffen den Anschluss verliert, verliert auch den Zugang zur Zukunft.

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