NEWS | 20. November 2025

Andreas Krolls Auftritt bei Lanz: Warum Europa beim Rohstoffwettlauf noch in der Umkleidekabine sitzt

Fünf Persinen sitzen im Studio von Markus Lanz, darunter auch Andreas Kroll

Es ist ein kurzer Moment, der den ganzen Abend einfängt: Noch bevor die Diskussion beginnt, greift Markus Lanz das zentrale Bild aus „Das Kokain der Industrie“ auf – jenem Buch, das Andreas Kroll gemeinsam mit Andreas Pietsch geschrieben hat.
Eine Metapher, die hängen bleibt: jene unsichtbaren Rohstoffe, die so unverzichtbar sind, dass sie in Wahrheit längst die neue Währung globaler Macht darstellen.

Dass diese Formulierung ausgerechnet in einer großen Talkshow aufgegriffen wird, sagt viel über den Zustand Europas. Das Thema ist angekommen. Die Dringlichkeit ebenso.

Ein Kontinent, der aus dem Wohlstandsschlaf erwacht

Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, macht es zu Beginn der Sendung ungewohnt deutlich: Europa habe 35 Jahre lang von günstigen geopolitischen Rahmenbedingungen gelebt. Doch russisches Gas, amerikanischer Schutz und chinesische Absatzmärkte – die drei Grundpfeiler der europäischen Bequemlichkeit – sind brüchig geworden.

Weber spricht ruhig, aber seine Worte markieren einen Wendepunkt: Europa befindet sich nicht mehr im Zentrum der Weltordnung, sondern in ihrer Neuvermessung.

Chinas Schatten in der Lieferkette

Was geopolitisch abstrakt klingt, bekommt durch Andreas Kroll plötzlich Kontur. Als Geschäftsführer von Noble Elements bewegt er sich täglich in jenem Rohstoffraum, in dem Europa kaum noch souverän agiert.

Kroll beschreibt einen Umgang Chinas, der „ruppiger“ geworden sei. Um Seltene Erden überhaupt zu exportieren, verlangen Behörden inzwischen detaillierte Angaben zur Endverwendung – Informationen, die europäische Unternehmen aus gutem Grund nicht offenlegen möchten.

Was folgt, ist ein Flaschenhals, der lehrreich ist:
Verzögerungen, Unsicherheiten, Produktionsstops.
Man muss es nicht dramatisieren – es reicht, es zu verstehen:
Rohstoffe sind geopolitische Werkzeuge geworden.

Die Germanium-Linse – ein Objekt, das die Weltordnung spiegelt

Einer der eindrucksvollsten Momente des Abends kommt ohne große Worte aus. Kroll legt eine Germanium-Linse auf den Tisch.

Unspektakulär, transparent, fast harmlos – und doch ein Symbol.
Germanium ist entscheidend für:

  • Nachtsichtgeräte
  • Wärmebildtechnik
  • Satellitenoptiken
  • militärische Sensorik

Eine Linse, die zeigt, wie abhängig Europa in Wirklichkeit ist:
Nicht von Masse, sondern von Gramm.

In diesem Augenblick wird greifbar, was Experten seit Jahren sagen:
Der Wettlauf um technologische Souveränität entscheidet sich nicht in Fabrikhallen, sondern in den Metallen, die sie erst möglich machen.

Ein Lager wie ein Seismograf

Ein kurzer Einspieler zeigt das Hochsicherheitslager von Noble Elements. Dort, dicht an dicht, lagern Metalle im Wert von rund 50 Millionen US-Dollar – verdichtet auf eine Fläche, die eher an ein Kunstdepot erinnert als an ein Industrielager.

Die Szene wirft eine unbequeme Frage auf:
Wie konnte Europa es zulassen, dass diese Rohstoffe kaum noch eigenständig beschafft, veredelt oder gehalten werden?

Ein Blick auf Yttrium liefert die Antwort:

In China: rund 7 Dollar pro Kilogramm

In Europa: über 200 Dollar

Ein Preisgefälle, das weniger mit Wirtschaft und mehr mit Geopolitik zu tun hat.

Wege aus der Abhängigkeit – zumindest in der Theorie

Manfred Weber bleibt an diesem Abend nicht bei der Diagnose stehen.
Er fordert:

  • Mindestabnahmemengen, damit Investoren sich trauen, Projekte zu starten.
  • Preisgarantien, um die Aufbauphase abzusichern.
  • Eine gemeinsame europäische Einkaufspolitik, statt nationaler Alleingänge.

Und die Bereitschaft, auch in Europa wieder Rohstoffe abzubauen – unter hohen Standards, aber mit klarem Ziel: Souveränität.

Kroll ergänzt, was Europa seit Jahren versäumt:
den Aufbau eigener physischer Reserven – etwa über Projekte wie Noble Elements, die Seltene Erden AG oder digitale Lieferkettenplattformen wie Finomet, die Transparenz überhaupt erst herstellbar machen.

Ein Wettlauf, der längst begonnen hat

Zum Ende des Abends fasst Kroll die Lage in einem Bild zusammen, das präziser kaum sein könnte:

China ist schon 100 Meter gelaufen.
Die USA stehen bei 20 Metern.
Europa sitzt noch in der Umkleidekabine – immerhin sind die Schuhe gebunden.

Dieser Vergleich ist weder Übertreibung noch Resignation.
Er ist eine Zustandsbeschreibung – und ein Weckruf.

Europa hat die Wahl:
Zuschauen, wie der Wettlauf weitergeht.
Oder endlich aus der Umkleidekabine treten.

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